Wo Lernende mit der Computermaus schreinern

Ausbildungszentrum in Seuzach Das Schreiner-Ausbildungszentrum in Oberohringen baut aus und wird zum grössten im Kanton. Wieso Lernende auch Programmieren können, zeigt ein Blick hinter die Kulissen.

Zwei Lernende im zweiten Lehrjahr montieren im Schreiner-Ausbildungszentrum ein Fenster. Foto: Marc Dahinden

Im Ausbildungszentrum für Schreinerinnen und Schreiner in Oberohringen (AZO) ist es an diesem Dienstagnachmittag ruhig. Schreiende Sägeblätter oder klopfende Hämmer? Danach sucht man hier vergebens. Stattdessen erklingt nur hin oder wieder das leise Klicken der Maus oder der Computertastatur. «Heute befassen wir uns mit der CNC-Technik», erklärt Kursleiter Benjamin Hardmeier, während die fünf anwesenden Lernenden konzentriert auf ihre Computermonitore starren.

Wer jetzt denkt, hier werde gerade Theorie gebüffelt, der liegt falsch. Die Arbeit mit der CNC-Werkzeugmaschine, also einer sogenannten Computerized-Numerical-Control-Maschine, ist höchst praktisch. Doch im Unterschied zu regulären Maschinen und Werkzeugen, die beim Schreinern zum Einsatz kommen, wird ein grosser Teil der Arbeit am Computer ausgeführt.

Ob Bohren, Fräsen oder Schleifen – jeder einzelne Schnitt muss zuerst sorgfältig programmiert werden. «Danach muss man eigentlich nur noch auf einen Knopf drücken, und die CNC-Maschine führt alles in einem Schritt aus», sagt Hardmeier.

Von wegen dual

Dass Computer in einem Schreiner-Ausbildungszentrum bei Laien eher für Fragezeichen sorgen, überrascht Fabio nicht. Der 19-Jährige absolviert gerade das vierte Lehrjahr in einem Betrieb in Buch am Irchel. «Bevor ich mit der Schreinerlehre begonnen habe, hatte ich auch ein anderes Bild», sagt er.

Am Computer programmieren die Lernenden die einzelnen Schritte, die die CNC-Maschine ausführen soll. Foto: Marc Dahinden

«Man denkt in erster Linie an Werkbänke.» Das Programmieren mache ihm aber besonders Spass. «Das macht die Arbeit abwechslungsreich», sagt er. Gerade die moderne Infrastruktur gefalle ihm am AZO. «Hier hat man die Möglichkeit, Maschinen auszuprobieren, die wir bei uns im Betrieb nicht haben.»

Der CNC-Kurs ist nur einer von vielen überbetrieblich Kursen (ÜK), die im AZO angeboten werden. Vielen Leuten seien ÜK noch kein Begriff, sagt Hardmeier. «Wir sind eigentlich die dritte Säule im dualen Bildungssystem.»

Neben der Berufsschule und der Ausbildung im Betrieb müssen angehende Schreiner und Schreinerinnen 44 Kurstage in einem Ausbildungszentrum absolvieren. Die Lernenden erhielten so einen umfassenden Einblick in alle Fachgebiete der Schreinerei. «So stellen wir sicher, dass am Schluss alle Spiesse gleich lang sind – unabhängig von Betrieb und Fachrichtung.»

Frauenanteil steigt

Momentan besuchen rund 160 Lernende das AZO. Doch schon bald sollen es mehr werden: «Wir sind gerade dabei, das Zentrum aufs Doppelte auszubauen», sagt Hardmeier. Aufs nächste Schuljahr soll das Kurszentrum Wetzikon nach Seuzach ziehen. Danach werden es etwa 320 Lernende sein, die hier in vier Jahrgängen ausgebildet werden. «Das AZO wird damit zum grössten Schreiner-Ausbildungszentrum im Kanton.»

Ausbildungsleiter Benjamin Hardmeier in der Werkstatt des AZO in Seuzach. Foto: Marc Dahinden

Im Untergeschoss des AZO heisst es für eine Klasse im zweiten Lehrjahr gleich «An die Rahmen, fertig, los!» Eine Tür und ein Fenster gilt es zu montieren. Doch vorher gibt es von Kursleiter Martin Herzig noch einen Crashkurs in Arbeitssicherheit. «Ganz wichtig: Schutzmasken anziehen», sagt Herzig bestimmt. «Sonst laufen Sie Gefahr, dass Sie irgendwann einfach ersticken.» Die Rede ist hier für einmal nicht von Corona, sondern von Asbest.

Neben den auszubildenden Schreinern gibt es hier auch zwei angehende Schreinerinnen. Der Frauenanteil habe in den letzten Jahren schwach, aber stetig zugenommen. «Mittlerweile haben wir etwa 15 Prozent Frauen bei uns im AZO.»

Fehler machen erlaubt

Zurück im CNC-Raum beugt sich der 19-jährige Dominic gerade über ein frisch von der Maschine gefertigtes Mühlespiel. Schon sein Vater habe Schreiner gelernt, erzählt er. «Ich habe ihm als Kind oft geholfen, wenn es im Haus irgendetwas zu tun gab.» Für ihn sei deshalb schon früh klar gewesen: Ins Büro wolle er nicht. «Ich hocke nicht gern herum, darum ist dieser Kurs hier auch nicht so mein Ding», sagt er.

Zwei kleine Plättchen, die er in sein Mühlespiel einpassen will, muss Dominic noch etwas von Hand nachschleifen. Gerade die Herstellung von derart kleinen Teilen sei oft schwierig, erklärt Hardmeier und nimmt Mass: «Das Plättchen muss noch fünf Hundertstel kleiner sein, damit es passt.»

Oft würden gerade die schwierigen Arbeiten im Betrieb nicht gern den Lernenden überlassen. «Weil es heikel ist und keine Fehler passieren dürfen.» Hier im AZO sei das anders: «Fehler machen ist hier grundsätzlich erlaubt. Nur so lernt man auch etwas.»

Mühlespiel aus der CNC-Maschine. Foto: Marc Dahinden

Etwas Schleifpapier, und schon ist auch Dominics Mühlespiel fertig. Er habe zwar keine Ahnung von den Regeln, aber Freude bereite ihm das Brett dennoch. «Es ist einfach schön, wenn man am Schluss vom Tag zurückblicken kann und sieht, dass man etwas geschaffen hat – etwas Handfestes», sagt er.

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