Winterthurer Spielebranche boomt dank Corona-Krise

Spieletrends in der Region Winterthur Gesellschaftsspiele sind in der Schweiz so beliebt wie nie. Davon profitieren auch Händler und Verleger aus der Region.

Thomas Vock hat den Spieleverlag Carta Media in Seuzach vor mehr als zehn Jahren gegründet. Absätze wie jetzt in der Pandemie hat er in all den Jahren davor nie erlebt. Foto: Marc Dahinden

Die Zahlen des Schweizer Spielemarkts weisen zuzeit nur in eine Richtung: steil nach oben. Laut dem Schweizer Spielwarenverband ist der Umsatz von Gesellschaftsspielen und Puzzles in den ersten drei Quartalen des letzten Jahres um 32 Prozent gestiegen. Der Schweizer Onlinehändler Digitec Galaxus verkaufte 2021 50 Prozent mehr Gesellschaftsspiele als noch im Vorjahr. 2020 wurde sogar ein Plus von 270 Prozent verzeichnet.

Mittlerweile haben es Gesellschaftsspiele beim Onlineriesen unter die Top Ten der meistverkauften Produkte geschafft. Noch hinter Kopfhörern und USB-Kabeln, aber vor Smartphone-Hüllen und Windeln.

Dass Monopoly und Co. die Schweizer Wohnzimmer erobern, merkt man auch in der Region. Thomas Vock, Gründer und Inhaber des Spieleverlags Carta Media in Seuzach, ist bereits seit 30 Jahren im Spielegeschäft tätig und sagt: «Einen derartigen Boom habe ich in all den Jahren noch nie erlebt.»

Die Pandemie habe einen bisher ungesehenen Einfluss auf die Branche gehabt. «Gerade während des ersten Lockdown im Frühling 2020 ist die Nachfrage nach Spielen und Puzzles explodiert.»

Von Minecraft zu Monopoly

Auch im Jugglux in Winterthur erlebt man während der Pandemie umsatzstarke Zeiten. Dort hat man das Sortiment nach der Schliessung des Spielwarengeschäfts Spikus 2017 laufend ausgebaut. «Seitdem bemerken wir eine steigende Nachfrage», sagt Inhaber Dominique Druey. Die Pandemie habe diese Tendenz noch einmal deutlich verstärkt.

Durch Computerspiele haben Junge wieder einen Zugang zum Spielen gefunden.
— Thomas Vock, Inhaber von Carta Media in Seuzach

Laut Druey haben sich nicht nur die Verkaufszahlen, sondern auch die Kundschaft in den letzten Jahren verändert. Während sich früher vor allem Familien mit Kindern und ältere Menschen für Spiele begeisterten, kauften heute vermehrt auch junge Erwachsene bei ihm ein.

Das beobachtet auch Vock: «Junge Menschen haben das Spielen wieder entdeckt.» Das habe wahrscheinlich mit den Computergames zu tun, meint Vock. «Durch Computerspiele haben Junge wieder einen Zugang zum Spielen gefunden.»

Lieber gemeinsam statt gegeneinander

Ein Blick in die Verkaufsstatistiken von Digitec Galaxus bestätigt die Beobachtung von Druey und Vock zumindest teilweise: 25 Prozent der Käufer von Brettspielen sind in den Zwanzigern. Der Durchschnittskäufer ist 34 Jahre alt.

Genau an diese Zielgruppe richtet sich auch der Höhenflieger aus dem Hause Carta Media: «Frantic». Das an UNO erinnernde Kartenspiel wurde in der Schweiz bereits über 100’000-mal verkauft. «Das läuft so gut, das kann man gar nicht toppen», sagt Vock.

Das Spiel «Frantic» aus dem Hause Carta Media gehört auch auf Digitec Galaxus zu den Bestsellern. Foto: Marc Dahinden

Auch im Jugglux geht «Frantic» über die Ladentheke wie frisch gebackene Brötli. Besonders beliebt seien auch der Spieleklassiker «Brändi Dog» sowie Escape Games, bei denen man gemeinsam Rätsel lösen müsse, sagt Druey. Kooperative Spiele, also Spiele, bei denen man miteinander und nicht gegeneinander spielt, seien generell hoch im Kurs.

Ein einfaches Rezept für erfolgreiche Spiele gebe es nicht, sagt der Winterthurer Spieleautor Daniel Fehr. «Aber das, was wir uns vorsetzen, soll gut schmecken. Am besten so gut, dass wir es uns gerne nochmals zu Gemüte führen.»

Damit das klappt, setzt man bei Carta Media in Seuzach auf Chancengleichheit, einfache Regeln und eine nicht allzu lange Spieldauer. «Ein gewisses Mass an Taktik ist auch erwünscht», sagt Vock. Spiele, die auf reinem Würfelglück basierten, seien heute nicht mehr gefragt.

«Ein zweischneidiges Schwert»

Alexander Deiss hat sein Spielegeschäft Gleis 9 ¾ in Winterthur im letzten Jahr eröffnet. Den Spieleboom beschreibt er als «zweischneidiges Schwert». In der Schweiz hätten die Onlinehändler Digitec Galaxus und Brack ihr Sortiment in den letzten drei Jahren massiv ausgebaut. «Die grossen Onlinehändler haben mittlerweile fast alles im Angebot – vom Familien- zum komplexen Nischenspiel für angefressene Vielspieler.»

Alexander Deiss hat sein Spielegeschäft mitten in Winterthur während des Spielebooms eröffnet. Foto: Madeleine Schoder

Gerade kleineren Versandhändlern mache dies zu schaffen, sagt Deiss. «Sie müssen ihre Preise zwangsläufig senken.» Ob das ein stabiler Zustand sei, sei jedoch fraglich. Denn: «Die grossen Onlinehändler können mit kleinen Margen leben, kleinere Shops dagegen langfristig nicht.»

Er könne dank seinem Ladenlokal mit den Onlineriesen mithalten, sagt Deiss. «Ich spare mir die Versandkosten und kann die Spiele so zum gleichen Preis anbieten.» Ausserdem könne er sich durch Beratung und Empfehlungen, die auf seine Kundinnen und Kunden zugeschnitten sind, von den Onlinehändlern abheben.

Spielen ist zu einer Gegenbewegung geworden – einer, die sich der zunehmenden Einsamkeit in unserer Gesellschaft widersetzt.
— Dominique Druey, Inhaber des Spielegeschäfts Jugglux in Winterthur

Die Nachfrage nach Spielen steigt nicht erst seit der Pandemie. Klar ist aber, dass der Spieleboom dank Corona ein beispielloses Ausmass angenommen hat. Druey ist jedoch überzeugt, dass der Trend auch nach der Pandemie anhalten wird.

«Spielen ist zu einer Gegenbewegung geworden – einer, die sich der zunehmenden Vereinsamung in unserer Gesellschaft widersetzt.» Auch Vock ist überzeugt, dass gerade der soziale Aspekt von Spielen – gemeinsam Spass zu haben – auch in Zukunft gefragt sein wird.

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