Steinfels-Wirt will nach Horrorjahr nochmals neu anfangen
Gastronomie in Ellikon an der Thur Corona, eine Trennung und eine Notoperation – das Jahr 2020 stellte den Steinfels-Wirt Ernst Oertli vor krasse Herausforderungen. Nun wagt er den Schritt in ein neues Leben.
In der Stube des Restaurants Steinfels in Ellikon an der Thur sitzt Wirt Ernst Oertli an einem wackeligen Tisch und beugt sich über einen Bauplan. Die rustikale Einrichtung in der Beiz erinnert an vergangene Zeiten, doch auf dem Stück Papier in Oertlis Händen ist Zukunft gezeichnet. Zukunft, mit der Oertli einen Geist austreiben will, wie er sagt. Den Geist, der hier im Jahr 2020 Einzug hielt und der Oertlis Leben komplett auf den Kopf stellte.
2020 bringt die Corona-Pandemie viele Wirtinnen und Wirte an ihre Grenzen, doch bei Oertli legt das Leben noch einmal eine Schippe drauf. Zuerst trennt sich der 60-Jährige von seiner Partnerin, mit der er im Steinfels 17 Jahre lang gemeinsam gewirtet hat, und kurz darauf wird bei ihm ein Aneurysma diagnostiziert. Oertli muss sich einer Notoperation unterziehen. Er kommt nur knapp mit dem Leben davon. «2020 habe ich den Tiefpunkt meiner persönlichen Geschichte erreicht», sagt Oertli heute.
Zeit zum Nachdenken
Oertli erholt sich von der Operation, doch als der Bundesrat die Massnahmen lockert und er das Steinfels wieder aufmachen kann, merkt er: «Das geht nicht – weder körperlich noch psychisch.» Also bleibt das Steinfels vorerst geschlossen. Oertli verbringt viel Zeit mit sich allein und macht sich Gedanken – über sich und seine Beiz.
Hin und wieder habe er in dieser Zeit auf Anfrage für Gäste gekocht, erzählt er. Ganz allein, ohne die Unterstützung von Servicepersonal. «Da habe ich gemerkt, was mir all die Jahre gefehlt hat: der direkte Kontakt zum Gast, das Persönliche.»
Also fasst Oertli einen Plan: Er will das Steinfels umbauen und so ein neues Kapitel aufschlagen. «In den letzten Jahren habe ich mich mehr und mehr in die Küche zurückgezogen. Das will ich nicht mehr», sagt er. «Ich will die Gäste wieder spüren.»
Direkter Kontakt dank Schauküche
Möglich machen soll dies eine Schauküche. «So können mir die Gäste beim Kochen zuschauen und ich sehe, wie es ihnen geht, ob ich pressieren muss oder mir mit dem nächsten Gang noch Zeit lassen kann.» Der Einbau der Küche ist hinter der heutigen Eingangstür geplant.
«Neu kommen die Gäste über den Hintereingang ins Restaurant», sagt Oertli. Von dort aus gelangen sie direkt an eine Bar, wo sie der 60-jährige Wirt persönlich in Empfang nehmen will. Auch im Speisesaal soll sich einiges verändern: «Die alten Polster müssen raus, die Bänke ebenfalls», sagt Oertli. Die Tische wolle er in Zukunft je nach Bedürfnis umstellen können.
In der jetzigen Küche plant Oertli den Einbau seiner neuen Wohnung. Bisher war der Wirt im Obergeschoss einquartiert. «Die Wohnung im Obergeschoss wird saniert und kann dann vermietet werden.» Zwei weitere Wohnungen im Obergeschoss vermietet der 60-Jährige bereits jetzt.
Am Menü wolle er dagegen nicht wesentlich herumschrauben, sagt Oertli. «Ich bleibe bei den Gerichten, die meine Gäste kennen und schätzen.» Dennoch: Oertli ahnt, dass das neue Konzept nicht bei all seinen Gästen gleich gut ankommen wird. «Es wird sicher Leute geben, die sagen werden, das sei nicht mehr das Steinfels. Aber es werden auch neue Gäste das Steinfels für sich entdecken.»
Ans Aufhören ist nicht zu denken
Die Baubewilligung für sein Projekt hat Oertli bereits in der Tasche. Jetzt wartet er noch auf die Bestätigung von der Bank. «Wenn alles klappt, kann ich im März damit anfangen, auszuräumen», sagt er. Eigentlich hätte er bereits am 1. Mai eröffnen wollen – dem Tag, an dem er mit 24 Jahren seine Wirtekarriere in der Post in Adlikon begann. Doch aufgrund von Verzögerungen habe sich nun alles nach hinten verschoben.
Sollte er von der Bank eine Absage erhalten, werde er das Wirten wohl oder übel komplett an den Nagel hängen und von den Mieteinnahmen leben, sagt Oertli. Vorstellen kann sich der 60-Jährige das allerdings nicht wirklich. «Wenn man fast dreissig Jahre lang gewirtet hat, kann man nicht einfach aufhören.»
Für ihn sei es auch keine Option, das Steinfels zu verlassen und irgendwo im Dorf in eine Wohnung zu ziehen. «Im Steinfels wohne und arbeite ich. Mein gesamtes Leben findet hier statt.» Und trotz allen Herausforderungen, trotz allen Schwierigkeiten habe er hier im Steinfels auch ganz viel Schönes erlebt.