Väter in spe müssen draussen bleiben
Region Wegen Corona-Schutzmassnahmen dürfen werdende Väter ihre Partnerinnen nicht zum Ultraschalltermin begleiten. Das führt bei Betroffenen zu emotionaler Belastung.
Der erste Blick auf das eigene Kind im Ultraschall – für die meisten werdenden Eltern ein unbeschreibliches Gefühl. Zu sehen, wie das Herz schlägt und wie sich das kleine Wesen im Bauch der Mutter bewegt, das will man nicht missen. Doch genau das ist Bernhard Graber aus Dürnten passiert. Wochenlang hatte er sich auf den Termin gefreut. Ende Dezember sollte es so weit sein. Doch dann folgte die grosse Enttäuschung: Aufgrund der Corona-Schutzmassnahmen durfte er seine Partnerin nicht zur Voruntersuchung begleiten. Da half auch das mehrmalige Nachfragen in der Praxis nicht weiter.
«Für mich war die Situation extrem belastend», erzählt Graber. «Ich wollte so gerne teilhaben am Moment, in dem die Schwangerschaft bestätigt wird. Ich hätte die Reaktion meiner Partnerin, die Veränderung und die Emotionen miterleben wollen.» Stattdessen wartete der Dürntner eineinhalb Stunden im Auto vor der Praxis.
Die erste Stunde sei noch okay gewesen, erzählt er. Doch dann sei er wütend geworden. «Ich wusste, dass im Kanton Graubünden 50 Leute in einer Gondel stehen, während ich hier nicht zu dritt in einem Raum sein darf. Und dies an dem für mich vielleicht wichtigsten Tag im Leben. Das war für mich so, als dürfte ich an meiner eigenen Hochzeit nicht teilnehmen.» Besonders irritiert hat Bernhard Graber die Tatsache, dass die Situation in den Arztpraxen offensichtlich unterschiedlich gehandhabt wird. Während in einigen Arztpraxen Begleitpersonen erlaubt sind, müssen sie bei anderen draussen warten.
Lediglich Empfehlungen
Der Grund für dieses Durcheinander liegt in den Schutzkonzepten für Arztpraxen. Entsprechende Richtlinien werden von verschiedenen Institutionen herausgegeben. Was Begleitpersonen beim Ultraschall angeht, schreibt beispielsweise die Schweizerische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin, Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe (SGUMGG): «Keine Begleitpersonen der Schwangeren in der Praxis.» Auch die Ärztegesellschaft des Kantons Zürich und der Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) schreiben, dass Begleitpersonen nur zugelassen sind, «wenn unbedingt nötig» und für «die Patientinnen erforderlich». Das Problem: Es handelt sich hierbei lediglich um Empfehlungen. Was genau umgesetzt wird, liegt letztlich im Ermessen der Praxen.
In der Frauenpraxis Rosengarten in Wetzikon sind zurzeit keine Begleitpersonen erlaubt. «Es ist uns ein Anliegen, die Schutzkonzepte einzuhalten, gerade jetzt mit den neuen Virusmutationen», erklärt Ariane Eichenberger, Gynäkologin in der Frauenpraxis. «Wir wollen unbedingt vermeiden, dass sich bei uns jemand ansteckt.» Es bestehe noch sehr viel Ungewissheit, was Corona betreffe. «Wir wissen zum Beispiel immer noch nicht genau, was eine Covid-19-Erkrankung während der Schwangerschaft für das Kind bedeutet.»
Aber auch die Mitarbeitenden gelte es zu schützen: «Wir wollen weiterarbeiten. Wenn sich jemand aus unserem Team ansteckt, müssen wir die Praxis für zwei Wochen zumachen.» Dass die Situation für die werdenden Eltern schwierig ist, kann Eichenberger sehr gut verstehen. «Das ist natürlich eine emotionale Belastung, dessen sind wir uns bewusst.» Wichtig sei es deshalb, sich Zeit zu nehmen und den werdenden Eltern alles genau zu erklären. «Für die allermeisten Paare ist es dann okay. Viele schätzen es auch, dass wir alles tun, um unsere Patientinnen zu schützen.»
Ausserdem versuche sie, so gut es gehe, die Situation für Paare zu vereinfachen. «Wir drucken viele Bilder aus und verdunkeln den Raum, damit die Frauen ein Video machen können. Aber natürlich kommt das nicht an das echte Erlebnis ran.»
Fehlende Bindung
Auch Bernhard Graber bekam von seiner Partnerin nach der Untersuchung Ultraschallbilder in die Hand gedrückt. Doch anfangen konnte er damit nichts. «Ich hatte keinen Bezug zu dem, was vor sich ging», erzählt er. «Während meine Partnerin voll und ganz zur werdenden Mutter geworden ist, nachdem sie das Baby im Ultraschall gesehen hatte, war bei mir die Vorfreude weg.» Als seine Partnerin einmal wegen Blutungen in die Praxis musste, hatte ihn das kaum mehr berührt.
Nicole Widmer betreut als Hebamme Paare aus dem Zürcher Oberland. Sie kennt das Problem: «Ich höre bei den Kennenlerngesprächen sehr oft die Enttäuschung der Männer darüber, dass sie beim Ultraschall nicht dabei sein dürfen.» Dadurch fehle es den werdenden Vätern an Bindung zum Kind. «Ich versuche dort jeweils noch andere Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man Bindung zum Ungeborenen herstellen kann.» Problematisch ist die Situation laut Widmer aber noch aus einem ganz anderen Grund. Denn jede Untersuchung berge ein gewisses Risiko. Im schlimmsten Fall könne es gar zur Fehlgeburt kommen. «Deshalb ist es meiner Meinung nach wichtig, dass die Frau in so einer Situation nicht allein ist», sagt Widmer.
Auch im Geburtshaus Zürcher Oberland in Bäretswil legt man grossen Wert auf die Bindung vom Vater zum Kind. Hier können Partner unter Einhaltung der Schutz- und Hygienemassnahmen weiterhin an Schwangerschaftskontrollen teilhaben oder sich per Videotelefonie dazuschalten. «Im hebammengeleiteten Betreuungsmodell, wie dies im Geburtshaus praktiziert wird, ist der Miteinbezug des Partners von zentraler Bedeutung», schreibt das Geburtshaus auf Anfrage.
Ein Happy End
Bernhard Graber kann verstehen, dass Praxen ihre Mitarbeitenden und Patientinnen so gut wie möglich schützen wollen. «Es besteht hier natürlich ein Interessenkonflikt.» Er sei aber der Überzeugung, dass es gerade in solchen Situationen pragmatischere Lösungen brauche. Eine solche pragmatische Lösung hat Graber denn auch gefunden. Nach mehrmaligem Nachfragen erlaubte ihm die Gynäkologin seiner Partnerin, bei einer Untersuchung dabei zu sein. Die Bedingung: Er musste sich vorher für 48 Stunden in Selbstisolation begeben.
«Für mich war das die beste Nachricht», erzählt er. «Jetzt, nachdem ich bei einem Termin vor Ort dabei sein konnte, kann ich mir das Kind vorstellen. Ich habe einen Bezug. Diese Erinnerung wird mir für immer bleiben, und das reicht mir auch schon. Mir geht es jetzt wie meiner Partnerin nach dem ersten Untersuch vor sechs Wochen. Ich freue mich, ich denke darüber nach, wie unsere Zukunft aussehen wird, welche Namen infrage kommen und so weiter. Dafür bin ich ewig dankbar.»