In Bubikon soll künftig solidarisch gelandwirtschaftet werden

Bubikon Der Verein Brachland Gmües initiiert in Bubikon eine Solidarische Landwirtschaft. Von der geplanten SBB-Anlage wollen sich die Initianten nicht einschüchtern lassen.

Sie wollen neue Wege gehen: (v.l.n.r.) Cindy Grütter, Jürg Raths, Nicoletta von Laue, Christoph Bachmann. Foto: Lea Ernst

Auf den Wiesen spriesst kreuz und quer der Löwenzahn, die Wildbienen fliegen durch die Luft, und vor dem grossen, alten Bauernhaus hängt ein «Stop 5-G»-Schild – «Zurück zur Natur» ist hier offensichtlich das Gebot der Stunde. Auf dem Demeter-Bauernhof von Jürg Raths in Bubikon hat sich ein kleines Grüppchen Menschen mit einem gemeinsamen Ziel zusammengefunden. Sie wollen eine Solidarische Landwirtschaft (Solawi) betreiben.

Solidarische Landwirtschaft – das bedeutet eine direkte Zusammenarbeit zwischen Konsumenten und Bauern. Anstatt dass man für das Rüebli einen fixen Produktpreis bezahlt, leisten die Konsumierenden einen jährlichen Betriebsbeitrag an den Bauern.

Im Gegenzug erhalten sie einmal in der Woche eine Kiste mit saisonalem und nachhaltig produziertem Gemüse. Als Konsument bezahlt man bei der Solawi also nicht einfach die Produkte an und für sich, sondern die Produktion. «Dadurch wird das Risiko, zum Beispiel von Missernten, von allen Beteiligten getragen und liegt nicht nur beim Bauern», erklärt Christoph Bachmann, Co-Initiant des Projekts in Bubikon.

Regenerative Landwirtschaft

Noch ist von dem, was hier geplant ist, wenig zu sehen. Das Land ist von einer herkömmlichen Wiese nicht zu unterscheiden. Doch das Feld ist sprichwörtlich bereits bestellt. Zu Beginn des Jahres hat die hinter dem Projekt stehende Gruppe den gemeinnützigen Verein Brachland Gmües gegründet. Dieser zählt bereits knapp 20 Mitglieder. «Und mit Jürg Raths haben wir einen Bauern gefunden, der perfekt zu unserem Projekt passt», sagt Bachmann.

Denn Raths betreibt regenerative Landwirtschaft. «Dabei hinterlassen wir den Boden nach der Ernte besser als vor der Aussaat», erklärt der Landwirt. Das bedeutet: Keine grossen Maschinen, kein Dünger und auch kein Pflügen. Schon bald kann es losgehen in Bubikon: «Spätestens in vier Wochen wollen wir das erste Gemüse pflanzen», sagt Raths.

Mitarbeit erwünscht

Wer das Gemüse bei sich zu Hause in die Pfanne hauen will, muss Mitglied im Verein werden. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man löst ein Kernabo oder ein stilles Abo. «Bei der Wahl des Kernabos trägt jedes Mitglied, ob jung oder alt, etwas zum Erfolg der Solawi und der schliesslichen Ernte bei», heisst es auf der Website von Brachland Gmües.

«Normalerweise bedeutet das Mitarbeit auf dem Feld», erklärt Bachmann. Insgesamt 20 Stunden würden erwartet. «Man kann sich aber auch auf ganz andere Weise einbringen, zum Beispiel in der Administration oder bei einer Arbeitsgruppe. Wir finden für alle eine Möglichkeit.»

Das Kernabo kostet 1200 Franken im Jahr – also 27.40 Franken pro Woche. Bei einem stillen Abo ist keine Mitarbeit nötig. Dafür ist das Abo teurer: Ganze 1600 Franken bezahlt ein Mitglied für diese Variante. Dies entspricht 36.70 Franken pro Woche.

Solidarität kultivieren

Nicoletta von Laue ist Mitglied der Kerngruppe von Brachland Gmües. Sie bezahlt den Abopreis gern, sagt sie. «Der Preis einer Kartoffel im Supermarkt bildet die Arbeit, die ein Gemüsebauer leistet, einfach nicht ab.» Das Bewusstsein für den Wert der Nahrungsmittel sei der Gesellschaft abhandengekommen. «Viel zu lange stand Nutzenmaximierung im Fokus. Dabei haben wir das grosse Ganze aus dem Blick verloren.»

Ausserdem sei die Solawi mehr als nur ein Gemüseabo. «Der solidarische Gedanke prägt natürlich das Projekt», sagt die 48-jährige Psychiaterin. «Die Solawi soll ein Miteinander werden. Eine Gemeinschaft, verbunden durch den Wunsch eines nachhaltigeren Lebens. Ein Ort, wo man sich gegenseitig unterstützt und wo man sich austauschen kann.»

Klingt das nicht nach einer utopischen Vorstellung? «Im Gegenteil. Utopisch ist, zu glauben, wir könnten weitermachen wie bisher», sagt Cindy Grütter. Die 24-Jährige ist für die administrativen und organisatorischen Aufgaben zuständig. «Für uns ist es jetzt Zeit, mit Weitsicht zu handeln.» Ziel sei es nicht, das bestehende System umzukrempeln, sondern vielmehr, neue Wege und Alternativen aufzuzeigen, erklärt Grütter.

Angst liegt in der Luft

Von Laue ist sich sicher, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, Leute für das Solawi-Projekt zu gewinnen. «Die Corona-Pandemie hat die ganzen Verkettungen und Abhängigkeitskreisläufe unter das Brennglas gebracht. Jetzt können wir unsere Probleme nicht länger ausblenden.»

Ausserdem merke sie, dass viele Menschen aufgrund der Pandemie verunsichert seien. «Es liegt viel Angst in der Luft. Die Menschen suchen jetzt nach konkreten Ideen, wieder selbst Verantwortung übernehmen zu können.» Da könne die Solawi durchaus eine Antwort sein, findet auch Bachmann: «Unser Projekt gibt einem die Möglichkeit, selber etwas zu machen. Zu einem gewissen Stück erlangt man so die Kontrolle zurück.»

In eine ungewisse Zukunft

Eigentlich kann die Initianten nichts mehr zurückhalten. Wenn da nicht noch dieser orange Zaun wäre: Er markiert den Bereich, auf dem die SBB eine Abstellanlage planen (wir berichteten), und umgibt auch Teile des Gebiets von Raths. Unter anderem jene Wiese, auf dem im Rahmen der Solawi bald Gemüse gepflanzt werden soll.

«Das war für uns natürlich ein Riesenschock. Wir hatten unser Solawi-Projekt bereits geplant, als wir die Nachricht erhalten haben», erklärt Bachmann. Zuerst habe man sich überlegt, an einem anderen Ort Land zu suchen. «Wir haben uns dann aber entschieden, es trotzdem hier zu machen und uns von den Plänen der SBB nicht abschrecken zu lassen. Schliesslich wird es noch Jahre gehen, bis die Bauarbeiten beginnen, sollte das Projekt überhaupt zustande kommen.»

Noch zuversichtlicher ist Landwirt Raths. «Ich kann und will mir nicht vorstellen, dass der Kantonsrat diesen Gestaltungsplan-Eintrag gutheisst», sagt er. Den Mitgliedern bleibt zu hoffen, dass er damit Recht behält und sie auch in einigen Jahren ihr Gemüse hier zwischen den Obstbäumen und den Wildbienenhäuschen ernten können.

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