Sie trainieren, um nicht zu stürzen

Sturzprävention in Neftenbach Um Stürzen vorzubeugen, trainiert die Sportstudentin Céline Meier einmal pro Woche Seniorinnen und Senioren aus Neftenbach.

Im Mehrzweckraum des Werkgebäudes in Neftenbach trainieren Seniorinnen und Senioren wöchentlich ihre Kraft, ihre Balance und ihre Gangsicherheit. Foto: Madeleine Schoder

«Es tönt knackig da hinten», sagt Céline Meier. Die 23-Jährige blickt aufmunternd in die Gesichter der elf Seniorinnen und Senioren, die gerade angestrengt in einer Kniebeuge verharren. «Das ist mein Knie», sagt eine ältere Dame. Ihren Rollator hat sie in der Ecke parkiert. Nun blickt sie etwas verunsichert auf ihr linkes Knie. «Macht ruhig ein Päusli, wenn ihr eines braucht», sagt Meier. Das lässt sich die Seniorin mit dem knackenden Knie nicht zweimal sagen. Sie setzt sich auf den Stuhl und atmet durch.

Im Mehrzweckraum des Werkgebäudes in Neftenbach absolviert Meier mit Seniorinnen und Senioren eine Stunde lang Übungen, die Kraft, Balance und Gangsicherheit verbessern. So sollen die Teilnehmenden in Zukunft vor Stürzen bewahrt werden. «Die Übungen sind anstrengend und können eine Herausforderung sein», sagt Meier.

Meier studiert am Bodensee-Campus in Konstanz Sport- und Eventmanagement. Das Sturzpräventionstraining bietet sie für insgesamt 14 Wochen als Teil ihrer Bachelorarbeit an. «Ich wollte unbedingt etwas machen, das einen Nutzen bringt», sagt die Neftenbacherin.

Auf die Idee mit dem Sturzpräventionstraining sei sie gekommen, weil ein Dozent sich darüber gewundert habe, dass es in Altersheimen oft keine Kraftgeräte gebe. «Dabei ist es gerade im Alter so wichtig, die Kraft und die Balance zu erhalten», sagt Meier. Nur so könne sichergestellt werden, dass Betagte trittsicher blieben. «Gerade bei älteren Menschen haben Stürze oft schwerwiegende Folgen.»

Rund 1300 tödliche Stürze im Jahr

Dies bestätigt auch ein Blick in die Statistik: Laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) stürzen in der Schweiz jährlich rund 83’000 Menschen im Alter von 65 Jahren und mehr. Gut 1300 Seniorinnen und Senioren sterben pro Jahr an den Folgen eines Sturzes. Und auch wenn der Sturz nicht tödlich endet, haben Verunglückte oft mit schweren Folgen zu kämpfen: Spitalaufenthalte, eine eingeschränkte Mobilität oder der Verlust der Selbstständigkeit sind keine Seltenheit.

Mit einem wöchentlichen Sturzpräventionstraining will die Neftenbacherin Céline Meier betagte Menschen vor dem Umfallen bewahren. Foto: Madeleine Schoder

Um dies zu verhindern, haben sich die Teilnehmenden im Mehrzweckraum auf einer Linie aufgestellt. Im Storchenstritt marschieren sie zurück zu den Stühlen – das vordere Knie wird angewinkelt, der hintere Fuss nach dem Absetzen in Richtung Po gezogen.

«So weit komme ich nicht», sagt eine Frau in Turnschuhen. Eine andere beginnt zu wackeln und kann sich gerade noch an ihrem Nachbarn festhalten. Und ein Mann mit Schnurrbart wischt sich mit einem Taschentuch den Schweiss von der Stirn. Fritz heisst der 88-Jährige, der bereits eine grössere Operation am Herzen hinter sich hat. «Gewisse Übungen sind für mich sehr streng», sagt er. «Aber es ist wichtig, dass man auch im Alter fit bleibt.»

Die Angst vor Stürzen nehmen

Wieder zurück bei den Stühlen heben die Teilnehmenden ein Bein in die Luft. Hie und da schwankt es, hie und da knackt ein Rücken, doch beeindrucken lässt sich davon niemand. Es wird wacker weitertrainiert.

«Beim Training geht es auch darum, jenen, die bereits Stürze erlebt haben, wieder Sicherheit zu geben», sagt Meier. «Stürze können die Angst, erneut zu stürzen, massiv verstärken.» Das wiederum erhöhe das Risiko für einen weiteren Sturz. Einer, der bereits mehrere Stürze erlebt hat, ist der 71-jährige Peter. «Ich habe im ‹Neftenbacher› über das Training gelesen und wusste sofort: Das muss ich machen.»

Nach einer Stunde intensivem Training verabschiedet Meier die Anwesenden. Die Anstrengung ist den Seniorinnen und Senioren ins Gesicht geschrieben. Fritz wischt sich noch einmal den Schweiss ab und sagt dann nur noch: «Kaputt.»

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