Mit einer Schnapsidee zum Erfolg
Destillerie in Pfungen Vor fünf Jahren wagte Christian Orator den Schritt in ein neues Leben und gründete in Pfungen eine Destillerie. Heute räumen seine Spirituosen Preise ab.
«Eigentlich ist das ganz einfache Chemie», erklärt Christian Orator, während er mit dem Rohr eines kupfernen Kessels hantiert. «Im Kessel wird das vergorene Obst erhitzt, der Alkohol verdampft und kondensiert dann auf der anderen Seite des Rohrs in der gekühlten Tonne.» Wenn Orator über das Brennen spricht, dann sprudelt es nur so aus ihm heraus. Er erzählt vom Handwerk, von der Natur, vom Genuss. Sofort ist klar: Hier steht ein Mann, der seine Leidenschaft gefunden hat.
Dabei hätte Orators Leben noch vor einigen Jahren nicht ferner sein können von dieser Welt der Sinne, in der er heute lebt. Der ausgebildete Jurist arbeitet damals als Versicherungsmanager. Nach 25 Jahren beim gleichen Unternehmen hat er genug und sagt sich: «In der zweiten Hälfte meines Lebens will ich etwas ganz anderes machen.»
Nachhilfe in Chemie
Er erfährt von einer Destillerie, die zum Verkauf steht. «Es klang interessant, also habe ich sie mir angeschaut.» Zum Kauf kommt es dann zwar nicht, doch Orator fängt Feuer. In den alten Räumlichkeiten einer ehemaligen Textilfabrik in Pfungen gründet er im Jahr 2016 gemeinsam mit seiner Frau Eva seine eigene Brennerei.
«Es war eine absolute Schnapsidee», sagt Orator. «Denn vom Destillieren habe ich damals rein gar nichts verstanden.» Anfangs seien ihm immer wieder Fehler passiert. Doch abhalten lässt sich der heute 58-Jährige davon nicht. Er klemmt sich hinter die Physik- und Chemie-Bücher seiner Kinder und holt Rat von Brennern aus ganz Europa ein. «Einige Ratschläge habe ich befolgt, andere nicht – am Schluss musst du für dich selbst herausfinden, was stimmt. Und Fehler zu machen, ist ein wichtiger Teil davon.»
Orators Durchhaltewillen zahlt sich aus. Bereits ein Jahr nach der Gründung der Orator AG räumen seine Spirituosen die ersten Preise ab. Auch in diesem Jahr erhält er bei den Distisuisse-Awards drei Gold- und zwölf Silbermedaillen. Das Geheimnis? «Natürliche Rohstoffe, gutes Handwerk und viel Zeit», sagt Orator. «Wir wollen den Geschmack der Natur in Flaschen füllen.»
Birnen aus dem Wallis
Damit das klappt, schreckt Orator bei der Suche nach den richtigen Rohstoffen auch vor Hürden nicht zurück. «Ich wusste zum Beispiel, dass ich die Birnen für den Williams im Wallis suchen muss – dort gibt es die besten.» Doch von den Walliser Bauern erhält er nur Absagen. Orator bleibt hartnäckig, bis er von Biobauern Birnen erhält, die übrig geblieben sind.
«Einen Teil davon mussten wir wegschmeissen, weil sie verschimmelt waren», sagt Orator. Aus dem Rest brennt er seinen Birnenschnaps. Mit einer Flasche in der Tasche reist er ein Jahr später ins Wallis und übergibt sie den Bauern. «Seitdem erhalte ich jedes Jahr schöne Birnen.»
Orator spricht über Birnen und Mandarinen, als wären sie aus purem Gold. Es ist die Suche nach dem gewissen Etwas, die ihn antreibt. Oftmals verwende er alte Sorten, einfach weil diese besser schmeckten, und immer setze er auf Bio-Qualität. Auf künstliche Zusätze und Zucker verzichtet Orator dagegen komplett. Auch gefiltert werden seine Spirituosen nicht. Bei der Produktion mache am Schluss die Intuition den Unterschied. «Das ist wie beim Kochen – irgendwann kriegst du ein Gespür dafür.»
Mehr Zeit für einen Schwatz
Am Degustationspult schwenkt gerade ein Kunde ein Glas mit Orators «Williams Birne» unter der Nase. Er riecht, führt das Glas dann zum Mund und gönnt sich ein Schlückchen. Geduldig wartet Orator, bis der Mann sein Urteil fällt: «Ausgezeichnet», lobt der Kunde. Orator lächelt. «Das freut mich», sagt er und giesst dem Mann ein weiteres Glas ein.
«Das Schönste an meinem Beruf sind die glücklichen Kunden», sagt Orator. «Und die Gespräche, die ich mit ihnen führen kann.» Seit Beginn der Pandemie seien die Leute viel offener geworden. «Eigentlich sind wir Schweizer ja zurückhaltend, aber seit Corona erzählen die Menschen mehr über ihr Leben und sprechen darüber, wie es ihnen geht», sagt Orator. «Das ist schön, denn es bringt uns näher.»
Einfach war die Pandemie aber auch für Orator nicht. «Wir beliefern viele Restaurants, und deren Schliessung hat auch uns hart getroffen.» Doch auch hier lässt sich der hartnäckige Brenner etwas einfallen: Statt Spirituosen produziert er kurzerhand Desinfektionsmittel.
Mittlerweile hat Orator seine Produktion aber wieder ganz auf Spirituosen umgestellt. Von Gin über Rum bis hin zum Mandarinengeist – Orator hat mittlerweile knapp 35 verschiedene Produkte im Angebot. Und er will weitermachen, will neue Ideen in die Tat umsetzen. «Die Reise hat erst begonnen», sagt er. «Es gibt noch Tausende Geschmäcke, die man in Flaschen füllen kann.»