Krisen befeuern das Geschäft mit Kachelöfen
Traditionsfirma aus Winterthur Seit 100 Jahren und über vier Generationen baut die Familie Heusser Kachelöfen. Heute profitiert ihr Geschäft von Greta Thunberg, Corona und dem Ukraine-Krieg.
Im Ausstellungsraum der Firma Heusser Feuer & Keramik flackert in einem Cheminée ein Feuer. Michael Heusser nennt das die «Sonne in den eigenen vier Wänden.» Die Wärme, das Licht, die Geräusche – das alles gebe einem ein gutes Gefühl. Seit 2017 leitet der gelernte Ofenbauer, Plattenleger und diplomierte Hafnermeister gemeinsam mit seiner Frau Lara Heusser das in Töss ansässige Unternehmen, das Cheminées, Speicheröfen und Ganzhausheizungen verbaut und Platten verlegt.
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Cheminées und Speicheröfen (auch Kachelöfen genannt), unterscheiden sich primär aufgrund ihrer Kapazität, Wärme zu speichern. Während einfache Cheminées die Wärme direkt an den Raum abgeben, kann ein Speicherofen die Wärme bis zu 15 Stunden zwischenspeichern. Vielfach verfügen aber auch Cheminées über eine Speichervariante. Der Übergang ist also fliessend. Die Kosten belaufen sich auf 18’000 bis 35’000 Franken.
Bei einer Ganzhausheizung wird mit der Hitze aus einem Speicherofen das ganze Haus beheizt. Vom Speicher aus gelangt die nötige Energie in Form von warmem Wasser an Heizkörper oder an eine Fussbodenheizung. Eine Ganzhausheizung kann auch mit Solarpanels oder einer Wärmepumpe kombiniert werden. Eine Ganzhausheizung kostet zwischen 55’000 und 90’000 Franken.
Wenn Michael Heusser über Feuer, Öfen und Cheminées spricht, merkt man, dass diese Dinge für ihn mehr als nur Beruf sind. Heute sei er zwar hauptsächlich im Büro tätig, doch wann immer irgendwo Not am Mann herrsche und wann immer möglich, ziehe er sich die Überhosen an. «Das ist schon etwas Besonderes, wenn du am Ende des Tages siehst, was du geschafft hast», sagt er. Er sei im Herzen eben ein Hafner, also ein Ofenbauer.
Firma in der vierten Generation
Die Faszination für das Feuer wurde dem 49-Jährigen in die Wiege gelegt. Vor genau hundert Jahren begann sein Grossvater Jakob Heusser Senior eine Lehre als Hafner. Sieben Jahre danach gründete er in Töss seine Firma J. Heusser Ofenbau. Winterthur sei damals ein Mekka für Kachelofenbauer gewesen. Das Heizen mit Feuer habe in Winterthur eine lange Tradition. «Die Familie Pfau baute hier im 16. und 17. Jahrhundert eine regelrechte Kachelofen-Dynastie auf.»
Auch Jakob Heussers Sohn, Jakob Heusser junior, lernte das Hafnern, absolvierte die Meisterprüfung und übernahm 1974 die Leitung des Betriebs. «Mittlerweile ist mit meinem Sohn Andrin bereits die vierte Generation im Unternehmen vertreten», sagt Michael Heusser. Der 16-Jährige absolviert gerade das zweite Lehrjahr als Ofenbauer.
In seinen Anfängen baute das Unternehmen hauptsächlich Öfen. Doch mit der steigenden Nachfrage nach Öl- und Gasheizungen in den 1960er-Jahren änderte sich das. Jakob Heusser junior musste sich aufs Plättlilegen spezialisieren. Immer weniger Menschen heizten ihre Häuser mit Holz – bis sich der Wind drehte.
«Es ist verrückt», sagt Jakob Heusser junior. «Das Geschäft hat sich gewaltig verändert.» Und auch sein Sohn Michael sagt: «Seit rund fünf Jahren verdoppelte sich die Nachfrage nach Öfen und Ganzhausheizungen jedes Jahr.» Sein Team, das noch vor 10 Jahren aus 10 Mitarbeitenden bestand, ist auf 18 angewachsen. Vier davon sind reine Ofenbauer, einer ist sowohl Ofenbauer als auch Plattenleger und ein weiterer hat sich das Ofenbauen selbst angeeignet. Mittlerweile macht das Ofenbauen wieder rund 40 Prozent der geschäftlichen Tätigkeit aus.
Greta, Corona und Ukraine
Das hat verschiedene Gründe. «Es fing mit Greta Thunberg an», sagt Michael Heusser. Als die damals 16-Jährige mit ihren Schulstreiks die Klimaerwärmung und deren Folgen auf die öffentliche Agenda bringt, sehen sich mehr und mehr Menschen nach nachhaltigeren Alternativen zu Öl- und Gasheizungen um und landen beim Heizen mit Holz. Auch das klimapolitische Ziel der Stadt Winterthur – netto null bis 2040 – treibt dem Winterthurer Unternehmen die Kunden ins Haus.
Holzheizungen sind, anders als Gas- oder Ölheizungen, CO₂-neutral. Beim Verbrennen von Holz wird genauso viel CO₂ ausgestossen, wie der Baum an Kohlenstoff gespeichert hat. Dieselbe Menge CO₂ würde auch freigesetzt, wenn der Baum im Wald verrotten würde. Hinzu kommt: Holz ist ein nachwachsender Rohstoff. «Das Potenzial von Holzheizungen ist gerade in Anbetracht des Klimawandels gross», sagt Michael Heusser.
Doch auch als vor gut zwei Jahren die Pandemie ausbricht, klopfen die Menschen bei den Heussers an. «Viele wollten sich ihr Daheim ein wenig heimeliger einrichten», sagt Michael Heusser. Er selbst habe es auch gemerkt. «Ein Feuer im Wohnzimmer half mir im Homeoffice, zu entschleunigen. Man spürt die Wärme, man kann ins Feuer schauen – das hat etwas Beruhigendes.»
Angesichts der steigenden Preise für Öl und Gas ist es wenig überraschend, dass auch der Krieg in der Ukraine das Geschäft mit Holzheizungen befeuert. Doch Michael Heusser bemerkt noch eine weitere Tendenz: Menschen wenden sich aus Angst vor Stromknappheit an ihn. «Gerade seit der Bundesrat im Februar das Massnahmenpaket für Stromsicherheit angekündigte, melden sich immer mehr Leute bei uns. Selbst die Nachfrage nach Holzfeuerherden ist merklich gestiegen.»
Intelligente Kachelöfen
Kochen über dem Feuer? Was für die einen nach Rückschritt klingen mag, ergibt für Michael Heusser durchaus Sinn – nicht nur seines Geschäftes wegen. «Mit Holz hat man schon Höhlen gemütlich gemacht, und Gutes muss man nicht neu erfinden.» Das gelte auch für den Ofenbau. Dieser habe sich in den letzten Jahrzehnten nicht massgeblich verändert. «Vieles funktioniert noch genau gleich wie zu Zeiten meines Grossvaters.» Auch heute würden die Öfen noch auf die jeweiligen Räume und Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden massgeschneidert.
Eine ganz besondere Aufgabe sei es für ihn aber auch, alte Öfen zu sanieren und zu unterhalten. In einem solchen Fall muss jede einzelne Kachel sorgfältig abgenommen, nummeriert und dann wieder am alten Platz eingesetzt werden. Nur so passt am Schluss alles wieder zusammen. «Alte Kacheln muss man mit Ehrfurcht behandeln. Das ist noch richtiges Kunsthandwerk.»
Heizen mit Holz könne aber auch ganz modern sein, sagt Michael Heusser. Mittlerweile gebe es Kachelöfen mit dualen Feuerräumen für Stückholz und Pellets, die mit Computertechnik ausgestattet seien. «Die Technik erledigt dann eigentlich alles von selbst und man muss nichts mehr tun.» Sie misst, ob Luft zugeführt oder Holz nachgegeben werden muss.
Sorge um Nachwuchs
Gerade wegen ihrer Emissionswerte stehen Holzheizungen immer wieder in der Kritik. So warnt zum Beispiel das Bundesamt für Umwelt (Bafu) vor «krebserregenden Russpartikeln» und «giftigem Gas». Obschon Holzfeuerungen nur etwa 10 Prozent zur gesamten Heizleistung beitragen würden, seien sie für über 90 Prozent des beim Heizen freigesetzten Feinstaubs verantwortlich. Handlungsbedarf sieht das Bafu insbesondere bei kleinen Holzfeuerungen wie Cheminées und Kaminöfen. Moderne Holzfeuerungsanlagen seien dagegen meist mit Filtern ausgerüstet.
Das bestätigt auch Michael Heusser. «Moderne Holzfeuerstätten emittieren Feinstaub in geringeren Mengen als abbrennende Kerzen.» Die Emissionswerte lägen unter allen gesetzlichen Vorgaben. Anders sehe es dagegen bei älteren Geräten aus. Hier sei wichtig, dass nur naturbelassenes und trockenes Holz verbrannt werde. Bei alten Öfen mit Rostfeuerung sei es sinnvoll, den Rost mit einem feuerfesten Schamottestein abzudecken. «Denn eine Luftzufuhr durch den Rost begünstigt Emissionen.»
Sorgen bereitet Michael Heusser aber nicht die Kritik aufgrund von Emissionen, sondern der Nachwuchs. Denn da sieht es momentan eher düster aus. «Als ich meine Lehre antrat, war ich einer von acht Ofenbauern aus der gesamten Schweiz», sagt Andrin Heusser. «Wir sind am Kämpfen», sagt auch Michael Heusser. Fachkräfte zu finden, sei sehr schwierig. Der Verband sei allerdings daran, mehr junge Leute für den Beruf zu begeistern. Er ist zuversichtlich, dass die Talsohle bereits durchschritten ist.